Wie wichtig sind Produktinnovationen für den Betrieb der KFN?
Die KFN beschäftigt sich primär mit Prozessverbesserungen, nicht mit neuen Produkten im eigentlichen Sinn. Dies hängt damit zusammen, dass sich unsere Produkte als Grundstoffe seit über 100 Jahren bewähren und von der Gesellschaft nachgefragt werden. Wo wir aber Verbesserungen vornehmen können, ist bei physikalischen Eigenschaften, also beim Herstellungsprozess.
Was ist hiermit genau gemeint?
Durch eine Optimierung bei der Korngrössenverteilung können wir beispielsweise die Reaktionsfläche des Kalks vergrössern und somit die Ausbeute in der Produktion bei unseren Kunden erhöhen – und dies in konstant guter Qualität. Dadurch können Chemie, Pharma- und Lebensmittelindustrie das Produkt besser verwenden und andere Inhaltsstoffe durch Kalk als natürlichen Stoff ersetzen. Als Beispiel kann hier erwähnt werden, dass seit einigen Jahren Kalkhydrat den Ersatz von bleihaltigen Stabilisatoren in der PVC-Herstellung ermöglicht.
Sind also auch komplett neue Einsatzgebiete möglich?
Ja. In Zusammenarbeit mit der ETH ist es uns beispielsweise gelungen, die Oberfläche von Kalk so zu modifizieren, dass er als biologisches Fungizid eingesetzt werden kann. Die Ergebnisse sind sehr ermutigend und teilweise ähnlich gut wie bei Kupfer – Kalk ist jedoch im Gegensatz zu Kupfer komplett abbaubar und hilft sogar heute schon, Böden in der Landwirtschaft zu verbessern.
Wie laufen Innovationsprozesse wie die oben beschriebenen bei der KFN ab?
Wir stehen in einem permanenten Austausch. So führen wir in der Unternehmensentwicklung regelmässig Gespräche mit dem Vertrieb und unseren Kunden, um Bedürfnisse abzuholen. Auch Feedbacks unserer Mitarbeitenden helfen uns dabei, Prozesse kontinuierlich zu verbessern. Das Qualitätsmanagement und das Bewusstsein für Optimierungen sind in unserem Betrieb glücklicherweise tief verankert. Zudem haben wir Kooperationen mit der ETH und anderen Forschungsinstituten, um bisher ungenutzte Potenziale von Kalk erschliessen zu können.
Inwiefern spielen Umweltgedanken dabei eine Rolle?
Der Einsatz von Kalk als Fungizid zeigt dies sehr deutlich. Wir bieten so eine Lösung für den biologischen Landbau, die sehr nachhaltig ist. Sie löst das Problem von Pilzerkrankungen bei Pflanzen, ist dabei aber für Menschen, Wasser und Böden absolut unbedenklich. Das eingesetzte Kalkhydrat nimmt über den natürlichen Rekarbonisierungsprozess Kohlenstoffdioxid wieder auf und geht als Kalkstein zurück in die Natur. Einen ökologischen Zusatznutzen haben unsere Kalkprodukte aber auch in vielen anderen Bereichen, beispielsweise bei der Rauchgasreinigung, bei der Bodenstabilisierung oder der Wasserbehandlung.
Wo setzt die KFN im Zusammenhang mit ihren Produkten daneben auf Innovationsprozesse?
Über die letzten Jahrzehnte haben wir beispielsweise die Überwachung der Prozesse stetig verbessert. So konnten wir unser Qualitätsniveau weiter heben und auch zertifizieren lassen. Dass wir die Lebensmittelnorm FSSC 22000 erfüllen, ist ein Alleinstellungsmerkmal und einer der Gründe, weswegen unser Kalk beispielsweise als Calciumpropionat den Weg in viele Burger Buns der Grossverteiler findet. Daneben sind aber auch Themen wie der Neubau des Kalkofens, der dem Stand der Technik entspricht und sehr energiesparend arbeitet, sowie die Einführung effizienterer Verpackungsgrössen Teil unserer permanenten Innovationsbemühungen.
Welche Potenziale von Kalk wurden bisher von Industrie und Gesellschaft zu wenig genutzt, wo sehen Sie weitere Chancen?
Schon heute wird Kalk in extrem vielen Bereichen verwendet: bei Bauprojekten ebenso wie in der Stahlindustrie oder für Produkte unseres täglichen Bedarfs. Meiner Meinung nach ist es darum wichtig, der Öffentlichkeit diese vielen Berührungspunkte bewusst zu machen und Kalk mit ökologischem Zusatznutzen vermehrt einzusetzen. Sei dies im biologischen Landbau oder als Teil von Asphalt, der dadurch seltener ersetzt werden muss und womit Bitumen eingespart werden kann.
Inwiefern werden innovative Produkte auch zum Ziel der KFN, Teil einer klimapositiven Industrie zu sein, beitragen?
Schon heute wirken viele unserer Produkte als CO2-Senke, binden also Kohlenstoffdioxid. Technologien zur Abscheidung von CO2 verfolgen wir aktiv, damit diese Eigenschaften vermehrt genutzt werden können. Die zweite und noch wichtigere Frage ist jedoch, was wir mit gebundenem CO2 machen können. Diesbezüglich gibt es aktuell einige sehr vielversprechende Forschungsprojekte, die wir eng begleiten und unterstützen. Ein klarer Technologieführer zeichnet sich für unsere Industrie jedoch noch nicht ab. Es gilt nun, die bisherigen Ansatzpunkte weiterzuentwickeln und die Forschung zum Thema weiterzuverfolgen. Ich bin zuversichtlich, dass wir bis 2050 oder schon früher ein klimapositiver Betrieb werden können – vor allem, wenn es gelingt, die bisher in kleinem Massstab erfolgreichen Ansätze zu skalieren.